Baldrian (Valeriana officinalis L.)
Synonyme:
Balderbrackenwurzel, Dammarg, Dreifuß, Katzenkraut, Menten, Mondwurzel, Stinkwurz, WaldspeikWissenschaftlicher Name:
Valeriana officinalis L.Familie:
Valerianaceae (Baldriangewächse)Heimat:
Europa, Asien.Inhaltsstoffe:
Wurzel: ätherisches Öl, u.a. aus Mono- und Sesquiterpenen, Iridoide, Lignane, Flavonoide, Alkaloide.
Beschreibung
Baldrian kennen sicherlich viele als beruhigende Heilpflanze. In der Natur bevorzugt die mehrjährige Staude feuchte Plätze, wo im April bereits die ersten Rosetten gefiederter, kräftiger Blätter zu sprießen beginnen. Aus ihrer Mitte wachsen im Mai stattliche, bis zu 1,50 Meter hohe Pflanzen mit variabel gefiederten Blättern, auf deren kantigen hohlen Stängeln sich von Juni bis August die Blütenstände in so genannten Trugdolden bilden: vielen kleinen, auf Stängeln thronenden Einzelblüten, die dicht nebeneinander in einer Ebene wachsen. Bemerkenswert ist das Farbenspiel: Während die Knospen zart rosafarben wirken, sind die geöffneten Blüten weiß oder bewahren sich einen Hauch Rosa. Der Wurzelstock besteht aus einem daumendicken Hauptrhizom, von dem unzählige lange, dünne Wurzeln abzweigen. Wie ein langer Bart oder Haarschopf wirkt die ausgegrabene Wurzel.
Verwendung
Für eine arzneiliche Verwendung gräbt man im September die Wurzel des Baldrians aus, wäscht sie und lässt sie meistens trocknen. Dabei entwickelt sich der charakteristische Baldriangeruch. Doch nicht dieser Duft ist die Grundlage der beruhigenden Wirkung. Vielmehr ist Baldrian ein gutes Beispiel dafür, dass die Gesamtheit einer Pflanze ihren Effekt ausmacht und nicht ein isolierter Stoff. So lässt sich die Baldrianwirkung nicht an einem bestimmten Inhaltsstoff festmachen.
Die beruhigende Wirkung übt Baldrian bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen aus. Das Angenehme: Tagsüber eingenommen ermüdet Baldrian nicht, sodass zum Beispiel die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt ist. Ganz im Gegenteil fühlen sich viele Patienten nach der Einnahme entspannt und dadurch sogar erfrischt. Zur Nacht eingenommen lässt er einen wohltuenden Schlaf zu, aus dem man munter erwacht, anstatt nachhängend müde zu sein, wie das nach Einnahme von Benzodiazepinen als Schlafmittel der Fall sein kann. Neben der innerlichen Einnahme empfehlen sich Bäder mit Baldrian, die beruhigend und entspannend wirken, auch auf die Muskulatur. Eines sollte man allerdings bei der Einnahme von Baldrian beachten: Die Wirkung tritt möglicherweise erst nach mehrtägiger Verwendung ein, dann aber nachhaltig.
Wissenswertes
Woher die wissenschaftliche Bezeichnung Valeriana stammt, darüber liegt bis heute der Nebel der Spekulationen. Nach einer Vermutung weist der Name auf Valeria in Pannonien hin, einer 10 n.Chr. gegründeten Provinz des römischen Reiches, die sich zur Hälfte über das Gebiet des heutigen Österreich und zur Hälfte über das westliche Ungarn erstreckte. Möglicherweise stammt Baldrian aus dieser Gegend oder kam dort zumindest sehr häufig vor. Der Name könnte aber auch dem Glauben Rechnung tragen, dass die Baldrianwurzel mit ihrem starken Geruch Teufel, Hexen und Dämonen abwehren sollte. Denn im Mittelhochdeutschen war das Wort „valant“ die Bezeichnung für „Teufel“. Manche Autoren leiten den wissenschaftlichen Namen des Baldrians hingegen vom Lateinischen valere = gesund ab. Den deutschen Namen Baldrian sehen viele in Bezug zum germanischen Lichtgott Baldur.
Baldrian ist bereits seit der Antike als Heilpflanze bekannt. Lange Zeit sprach man ihm irrtümlicherweise allerlei Heilwirkungen zu – zum Beispiel bei Menstruationsbeschwerden, Tuberkulose, Gicht und Pestilenz. Die tatsächliche Wirkung, die nervenberuhigende Seite, blieb im Verborgenen. Auf die Spur dieser heute belegten Wirkung kam der italienische Botaniker Fabio Colonna (1567-1640). Als er eine Heilpflanze gegen seine Epilepsie suchte, fand er in den Werken des Dioskurides (1. Jahrhundert n.Chr.) die Baldrianwurzel und schrieb ihr später fälschlicherweise die Heilung von seiner Krankheit zu. Für ihn war auf jeden Fall damit eine nervenbezogene Wirkung des Baldrians bewiesen.
Der Geruch von Baldrian ist für menschliche Nasen nicht unbedingt angenehm, Katzen hingegen lieben ihn und wälzen sich wie berauscht im Baldriankraut. Der zoologische Handel bietet denn auch mit Baldrianwurzel gefüllte Spielkissen für die samtpfötigen Lieblinge an. Vielleicht rührt aus dieser euphorisierenden Wirkung auf Katzen auch das Ansehen von Baldrian als Pflanze der Liebe. So kursierte die Empfehlung, beim Küssen etwas Baldrianwurzel im Mund zu führen, um die geküsste Person in Liebe entfachen zu lassen.
Die biologisch-dynamische Landwirtschaft behandelt Komposte mit einem verdünnten Saft aus Baldrianblüten. Über den fertig aufgesetzten Komposthaufen versprüht, beschleunigt der Baldrian gleichmäßig die Umsetzungsprozesse.
Die Pflanze anders betrachtet
Die zart rosa, in gewisser Weise flirrend wirkenden Blüten des Baldrians schweben in luftiger Höhe. In ihrer Anmutung erinnern sie an Menschen, die zu sehr in der reinen Gedankenwelt leben und dabei den Boden unter den Füßen verlieren. Der Baldrian schafft allerdings eine Verbindung seiner Blüten zur Erde: über den langen Stängel und den außergewöhnlich verzweigten Wurzelstock. So verankert können die Blüten beruhigt in der Höhe schweben, ohne sich zu verlieren. So betrachtet lässt sich die beruhigende Wirkung des Baldrians von der Anmutung der Pflanze her verstehen.